Nachtrag: Venezuela – und nur zwei Wochen Zeit

So, hier wie nun angekuendigt der Bericht zu meinen leider nur zwei Wochen in Venezuela. So, da war ich nun in Venezuela und hatte so keinen Schimmer was man in dem Land so macht. Reisefuehrer hatte ich nicht. Also habe ich beschlossen, erst mal meine Bekanntschaften zu besuchen. Also in die touristisch eher nicht so bekannte Stadt Valencia zu Raul. Der hat mich dann auch direkt vom Bus abgeholt und die naechsten 48 Stunden hatte ich einen persoenlichen Guide samt Wohnung und Familienanhang, so dass es an mir nichts fehlte. Valencia ist das Industriezentrum Venezuelas. Nun ja, da es nicht mehr viel Industrie gab und eigentlich nie gegeben hatte, aber zumindest gab es mal Importe, gab es viele leerstehende Autohaeuser, hauptsaechlich Chrysler, und sonst nicht viel. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen hat die Stadt mich sehr ueberrascht. Sehr sauber, sehr freundliche Menschen, viel Wald und Berge aussenrum, sehr viel Geschichte in der Naehe und der Strand ist auch nicht weit. Ganz abgesehen davon war es wunderbar warm.

Also zur Geschichte: Simon Bolivar, wir haben schon von ihm gehoert, hat eine der Hauptschlachten, die zur Befreiung des venezolanischen Gebiets beitrugen, ganz in der Naehe der Stadt gekaempft. Auf dem Campo Carabobo sind viele Menschen gestorben, und zu den Zeiten regelrecht niedergemetzelt worden. Aber es hat sich gelohnt und Venezuela wurde von den spanischen Herrschern befreit und durfte fortan selbst ueber sich herrschen. Und als Erinnerung hat man an jener Stelle ein Denkmal gebaut, an dem heute auch noch taeglich mit einer Wachabloesung den vielen gestorbenen unbekannten Soldaten gedacht wird. Sehr beeindruckend das ganze, denn es ist ein wirklich grosses Gelaende des Gedenkens, inkl eines kleinen Museums.

Und nach so viel Kultur gings erst mal in einen gemuetlichen kleinen Ort am Meer – Puerto Cabello. Hier gibt es eine Festung im Meer, eine in den Bergen, eine wunderschoene Altstadt, aber keine Touristen. Ein Jammerspiel ist es, sich das anzusehen. Aber leider gilt Venezuela als gefaehrliches Reiseland. Dem kann ich nur sagen, dass ich mich in keiner Weise gefaehrdet gefuehlt habe, also nicht mehr und nicht weniger als in anderen Laendern Suedamerikas.

Und wo wir schon mal am Meer waren, sind wir dann auch gleich noch an den Strand. Das Meerwasser ist – sagen wir – warm. Also von Erfrischung keine Spur. Aber es gab da noch einen Fluss, der aus dem Landesinneren ins Meer abfloss. Und der war zumindest etwas erfrischender. Aber auch ohne erfrischendes Bad war es ein Traumstrand. Und man sagte mir, Venezuela haette noch sooo viel mehr davon. Beim naechsten Mal dann, ich hatte ja nur zwei Wochen Zeit…

Aber ich habe mir zumindest die Zeit genommen, gut zu Essen. Raul und sein Kumpel haben sichergestellt, dass ich auch wirklich jede Spezialitaet probiere, die typisch venezolanisch ist. Und man kann sagen: sehr lecker!!!

Danach gings dann in die Hauptstadt Caracas zu Daniel und seiner Familie. Caracas wird in vielen Reiseforen als gefaehrlich und mit wenig touristischen Highlights beschrieben. Ich habe einen ganz anderen Eindruck gehabt. Eine wunderschoene, saubere Stadt, reich an Kultur, Geschichte, Orten zum Flanieren und zum einfach mal in die Natur kommen, mitten in der Stadt. Gut, die Statistiken, die es als eine der Staedte mit den hoechsten Mordraten hinstellen, werden schon nicht luegen. Aber wieviele der Morde finden nun mitten am Tag, mitten im Zentrum und ausgerechnet an Touristen statt? Nicht viele jedenfalls, und so konnte ich dort 3 wunderbare Tage geniessen. Daniel, seine Frau Maye und sein Sohn Gabriel haben mich herzlich aufgenommen, sogar die Arbeit fuer mich geschwaenzt (also Daniel) und mir alles gezeigt, was Caracas so zu bieten hat. Hier moechte ich unbedingt das Simon Bolivar Museum sowie das Geburtshaus Simon Bolivars erwaehnen. Abgesehen davon, dass alles umsonst ist, sind die Ausstellungen sehr gut aufgearbeitet und man lernt enorm viel ueber die ja nicht einfachen Zeitablaeufe und Orte der ganzen Schlachten, die zur Befreiung von nicht weniger als 4 Laendern Suedamerikas von der Herrschaft der Spanier gefuehrt haben. Naja, spanisch sollte man lesen koennen, aber auch so sicher eins der Highlights in Caracas selbst. Und wie sollte es anders sein, ich hatte die ganzen Tage dort wieder einmal eine gute Zeit.


Danach wollte ich eigentlich in die Berge nach Merida. Aber wie das in Venezuela so ist, es gab an diesem Tag keine Busse dorthin… Also kurz umdisponiert und ein Busticket nach Coro gekauft. Das ist eine der aeltesten Staedte Venezuelas mit historischem Stadtkern (Unesco Weltkulturerbe) und grossen Sandduenen aussenrum. Und auch hier wieder: wunderschoener Ort, der touristisch sehr schoen ist, die Infrastruktur ist da (d.h. in Venezuela, dass noch nicht alle Hotels und Hostels dicht gemacht haben und hin und wieder auch mal ein paar Restaurants auf sind… man soll ja nicht zu viel erwarten), ABER: keine Touristen. Nun gut, hier habe ich zumindest ein paar einheimische Touristen getroffen.

Aber nach Coro gings dann nach Merida. Diesmal hatte ich Glueck, der Bus fuhr. Aber das erfuhr man erst, nachdem man zwei Stunden morgens am Ticketschalter angestanden hatte, um, falls er faehrt, auch eine Chance zu haben, mitzukommen. Jedenfalls hatte ich eine entspannte Nachtfahrt nach Merida und kam frisch morgens dort an. Die Stadt war groesser, als ich mir vorgestellt hatte, es war geschaeftig, viel geschaeftiger, als ich das bisher so gesehen hatte, das historische Zentrum war – und hier war ich wirklich ueberrascht – nicht nur voll mit Laeden, in denen es waren gab, sondern auch mit internationalen Touristen. Dafuer gabs das Einzelzimmer im Hostel so guenstig wie niemals zuvor: ganze 250 Bolivares habe ich bezahlt, sprich weniger als 2Euro. Also auch hier kaempfte man noch um jeden Gast. Und Merida ist auch eine schoene Stadt mit guter Stimmung und wunderbarer Natur aussenrum. Die zwei Hauptattraktionen: die laengste Seilbahn der Welt und ein Eisladen mit etwa 200 Sorten Eis, darunter Spezialitaeten wie Geschmack Reis mit Huehnchen, waren leider geschlossen wegen Reparatur (die Seilbahn seit etwa 2005) bzw. Urlaub. Aber es gab dennoch viel zu sehen und mit den anderen Gaesten im Hostel (sowohl Auslaender als auch Venezolaner) hatte ich eine wunderbare Zeit. Eins der Highlights war ein Ausflug um das Phaenomen der Catatumbo Gewitter zu beobachten. Im suedlichen Teil des Maracaibo Sees, an der Muending des Catatumbo Flusses gibt es an 150 bis 300 Tagen im Jahr (je nachdem welcher Quelle man nun glauben kann) des Nachtens ein Feuerwerk an Blitzen. Einer nach dem anderen oder mehrere gleichzeitig erhellen den Nachthimmel. Es wird gesagt, dies ist der Ort mit den meisten Blitzen weltweit. Wenn ihr mal googelt, findet ihr Fotos, die euch staunen lassen werden. Ach ja, und das ganze findet ohne die bei uns dazugehoerigen Donner statt. Jedenfalls wollte ich das auch sehen und bin mit Bayron aus dem Hostel zu einer Tour aufgebrochen. Allein die Anfahrt war wunderschoen. Nur war es dummerweise sehr bedeckt in der Nacht, so dass wir zwar Leuchten sehen konnten, aber die Blitze direkt jetzt nicht. Das war etwas schade, aber die Fahrt selbst und auch die Nacht mittem im See in einem Haus auf Stelzen waren wunderbar.


Und danach ging es dann schon wieder nach Kolumbien. Musste ja schliesslich meinen Flug erwischen. Und um hier noch mal etwas ueber den Grenzuebergang zu sagen, denn dort gibt es enorm viele Horrorgeschichten im Internet zu lesen: Ich habe sowohl in der Hin- als auch in der Rueckrichtung den Grenzuebergang Cucuta-San Antonio genommen, und er ist einfach zu meistern und ich hab mich an keiner Stelle unsicher und unwohl gefuehlt. Ist etwas komplizierter, da die Migrationsbehoerden relativ weit auseinander liegen, aber nichts, was man nicht meistern kann.

Und in Venezuela gibts noch mindestens den Angelfall, den hoechsten Wasserfall der Erde, sowie ein paar weitere Nationalparks im Osten mit unglaublicher Landschaft, die ich eigentlich noch sehen moechte. Das muss dann beim naechsten Mal…

„Volltanken, bitte.“ – „Macht 3cents“

So oder aehnlich spielt sich diese Szene jeden Tag 1000fach in Venezuela ab. Wenn es denn Benzin gibt… in einem Land mit unglaublichen Erdoelvorkommen… Und schon sind wir mitten drin in den alltaeglichen Widerspruechen in diesem unglaublich faszinierenden Land. Heute will ich nur kurz ein paar der taeglichen Herausforderungen der Venezolaner mit euch teilen.
Kurz zur Einfuehrung. Seit geraumen Jahren regiert die Linke, die mit Chavez einen starken aber sehr eigensinnigen Fuehrer hatte. Seit seinem Tod und nach den Neuwahlen vor etwas mehr als einem Jahr heisst der Chef Maduro. Die Wahl war ueberschattet von Gewalt und Ausschreitungen der Befuerworter und Gegner. Die Wahl selbst ging auch recht knapp aus. Das Land ist gespalten. Die hauptsaechlich aermere Bevoelkerung waehlt links, Mittelschicht, Unternehmer etc die Opposition.
Der ganze Wahnsinn faengt beim Wechselkurs an. Offiziell liegt der bei 12 Bolivares fuer 1 Dollar… auf dem illegalen Schwarzmarkt, der allerdings den wahren Wert der Waehrung abbildet, gibt es 100 Bolivares fuer 1 Dollar – und mit dem Umtauschkurs kann man als Auslaender sehr guenstig, aber auch nicht spottbillig durch Venezuela reisen. Daneben gibt es diverse kuenstliche Waehrungskurse, die die Regierung fuer ihre Buerger fuer den Import bestimmter Produkte zur Verfuegung stellt: z.B. 6:1 fuer den Kauf von Lebensmitteln. 50:1 fuer touristische Unternehmungen etc. Und fuer jede Transaktion gibt es Hoechstgrenzen. Und man muss auch erst mal die Erlaubnis bekommen, seine recht nutzlosen Bolivars in Dollar umzutauschen. Etwas verworren und ich hab nicht wirklich durchgesehen. Und das ganze betrifft nicht nur Privatpersonen sondern alle Unternehmen.
So kommt es, dass es zwar massenhaft Autohaeuser gibt, aber alle sind leer. Es fehlt die Genemigung, Bolivares in Dollar zu tauschen und damit neue Autos zu importieren. Fuer den Autokauf (neu) selbst gibts lange Wartelisten. Das wiederrum erhoeht unglaublich die Preise fuer Gebrauchtwagen. Mit jedem Tag werden sie mehr Wert, und zwar auch Inflationsbereinigt… (davon kann man in Deutschland nur traeumen).
Der naechste Wahnsinn sind die Supermaerkte, deren es reichlich gibt. Nur gibts eben nicht alles ueberall. Und die guenstigsten Preise gibts nur in den staatlichen, und da stehen laaaaange Schlangen. Jeden Tag. Genau wie in Apotheken. Manche Dinge, wie zum Beispiel Fleisch, sind nicht immer einfach zu bekommen. Da muss man schon etwas rumlaufen.
Hier mal ein paar Beispiele fuer Preise. Macht euch mal den Spass, das zum offiziellen und Schwarzmarktkurs umzurechnen. Einfaches Zimmer in einer Herberge zwischen 250 und 600 Bolivares. Eine Mittagsmahlzeit 100-200 Bolivares. Metroticket in Caracas 1,50 Bolivares. Frisch gepresster Orangensaft auf der Strasse 25 Bolivares. Busfahrt von 8 Stunden mit besserer Gesellschaft: 400-600 Bolivares. Liter Benzin ca. 0,5 Bolivares.

Und da sind wir beim in Venezuela allueberschattenden Thema Erdoel. So reich das Land ab Erdoel ist, so viel hat es danit zu kaempfen. Trotz Erdoel gibt es oft lange Schlangen an den Tankstellen – gut, der Venezolaner an sich arbeitet auch gern langsan. Manchmal auch gar kein Benzin. Denn das Land verfuegt kaum ueber Raffinerien. Das erledigt Brasilien fuer die Venezolaner. Und laesst es sich fuerstlich vergueten. Und im Grenzgebiet zu Kolumbien gibt es einen grossen Benzinschmuggel – der Preisunterschied ist einfach zu verlockend.
Nun mag man sich auch fragen, warum der Benzinpreis sooo laecherlich gering ist: es ist ein subventioniertes Gut, klar, und seit etwa 30 Jahren hat sich der Preis nicht veraendert. Und das liegt – interessanterweise – an der Korruption. Jeder Versuch der Politiker, den Preis anzuheben endet in enormen Protesten des Volkes und da laesst man es lieber bleiben. Nun sollte man denken, dass bei den hohen Lebenshaltungskosten der Venezolaner an sich bei vielem auf die Strasse gehen sollte, warum also nun beim Benzin, das so spottbillig ist? Ganz einfach. Erdoel ist in Staatsbesitz und am Verkauf, also auch am Verkauf des Benzins, verdient nur einer, der Staat. Und je mehr in die Staatskasse kommt, desto mehr ist da, woraus sich der korrupte Politiker bedienen kann. Also verweigert das Volk dem Staat, die Staatskasse weiter aufzufuellen und entsprechend weiter leer zu raeumen. So einfach 🙂
Wie ihr seht, das Land hat mit vielen Unwaegbarkeiten zu kaempfen. Aber es ist dennoch einen Besuch wert, denn die Menschen sind unglaublich freundlich und offen. Und im naechsten Artikel in Kuerze gibts dann Fotos und meine eigentlichen Erlebnisse.
Bis dahin.