Sumatra auf Abenteuerpfaden – Backpacking fuer Fortgeschrittene

So, hier kommen sie nun, die Nachzuegler. Und als erstes starte ich mit Sumatra, Indonesien. Nicht nur, dass mir hierfuer die Erinnerungen noch am frischesten sind, es ist auch vom Reiseerlebnis eines der intensivsten meiner gesamten Reise gewesen.
Als erstes muss ich sagen, Reisen in Sumatra ist nicht einfach, wenn man sich nicht nur auf den Haupttouristenwegen befindet. Und damit meine ich wirklich nur die Hauptrouten – also Toba-See, Bukit Lawang und Banda Aceh mit Pulau Weh. Schon ein kleiner Umweg, die wahnwitzige Idee, nicht staendig ueber Medan – grosse, laute, dreckige Stadt mit unklaren Verhaeltnissen bezueglich wo welcher Busbahnhof ist – zu fahren, bringt einen an den Rand des Wahnsinns. Denn kaum jemand kann genug englisch, um einen wirklich zu informieren, geschweige denn, dass irgendjemand wirklich eine Ahnung hat, wie man nun wirklich von A nach B kommt, oder es einfach nicht kundtun will. Aber: man kommt immer an, die Menschen sind extrem hilfsbereit und verlangen nur selten zu viel an Busticketpreisen, und wenn, es ist alles so spottbillig, dass es nix ausmacht. Und, wer abseits der Touristenpfade sein will, der schafft es, auch in den Touristenhochburgen kaum andere westliche Touristen zu finden, solange man nicht zur Hauptreisezeit (angeblich Juli und August) reist.

Aber nun von Anfang an. Zuerst einmal ist gesagt, Indonesien ist ein muslimisches Land, Sumatra noch mal etwas mehr, und die Provinz Aceh ganz besonders. Dort herrscht seit dem Unabhaengigkeits-Krieg 1999-2004 das Schariagesetz. Also ich hatte mich eingestellt, dass eher wenige Kontakte zu den Einheimischen zustande kommen, aber nein. Es wurde ganz anders. Denn mein erstes Ziel nach einer sehr erlebnislosen Nacht in Medan, Tuktuk auf der Insel Samosir im Toba-See – dem groessten Kratersee der Erde – , stellte sich als sehr katholisch heraus. Das dortige Volk, die Batak, sind mehrheitlich christlich. Kaum eine Frau traegt Kopftuch und alle Menschen, Mann wie Frau, sind sehr freundlich und aufgeschlossen. Tuktuk selbst ist eine kleine Ortschaft die eigentlich nur aus Gasthaeusern besteht – ca 2km lang am Wasser entlang – nur dass kein Tourist da ist… Man kann mit dem Roller die Insel erkunden. Da Roller aber nix fuer mich ist, habe ich Spaziergaenge nach Tomok und durch die Reisfelder unternommen.


Das Wasser war mir zum Baden auch noch zu kalt. Und am Sonntag, ich hatte keine konkreten Plaene, habe ich eine Schulklasse und die Lehrer einer privaten Englischschule getroffen und mich den ganzen Tag mit ihnen unterhalten. Die Schule geht mit den Schuelern nach Tuktuk, damit diese die Moeglichkeiten haben, mit Touristen ihr englisch auszuprobieren. Und nebenbei haben sie natuerlich ganz viel Spass. Die Schueler im Alter zwischen 12 und 16 waren erst sehr schuechtern, aber nach einer Weile – und insbesondere als die Lehrer uns den Ruecken zugekehrt haben – sind sie aufgetaut und wollten alles moegliche wissen und einfach englisch reden. Und ich habe durch den Austausch auch sehr viel ueber das Leben in Sumatra und insbesondere das Schulsystem erfahren. Na das fing ja echt gut an mit mir und Sumatra. An meinem dritten Tag hatte ich viele Freunde und stand ab da regelmaessig in Kontakt mit der Lehrerin Tetty, die ich am Ende meines Aufenthalts auch noch mal besucht habe.

Aber vom Toba-See gings erst mal nach Berastagi. Hier in der Naehe gibts zwei Vulkane. Ganz Indonesien ist eine Aneinanderreihung von aktiven Vulkanen. Und auch in Berastagi ist kurz zuvor der Sinabungg etwas explodiert. Man konnte also nur den Sibayak besteigen. War eher eine gemuetliche Wanderung. Aber einen Vulkankrater so nah zu sehen, wo Schwefel aus allen moeglichen Ecken dampft, und daher nichts waechst und man auch auf dem Mond sein koennte, das ist schon sehr eindrucksvoll.

Und dann kam organisatorisch eines der kompliziertesten Aktionen. Wir waren zu viert (es gab tatsaechlich einige wenige andere Touristen in Berastagi) und wollten nach Ketambe. Das ist einer der Hauptzugangsorte zum Gunung Leuser Nationalpark, wo man so gut wie sicher wilde Orang Utans und noch natuerlichen Dschungel sehen kann. Bekannter ist Bukit Lawang (welches ich nicht besucht habe), aber dort ist die Hauptattraktion das Fuettern von ausgewilderten Orang Utans. Aber von allem was ich hoerte, der beschwerliche Weg nach Ketambe lohnt sich. Und beschwerlich war der Weg. Also von Berastagi direkt faehrt nix nach Kutacane, der etwas groessere Ort 30km von Ketambe entfernt. Man muss hoffen, einen Platz in einem durchfahrenden Minibus von Medan zu bekommen – aussichtslos fuer vier. Das wusste auch die Besitzerin vom Hostel und hat lange versucht und einen unmoeglichen Preis abzuverlangen und liess sich auch nicht dazu nieder uns alternativen aufzuzeigen. Denn man kann sehr wohl nach Kabanjahe fahren und dort werden mit groesserer Wahrscheinlichkeit neue Minibusse Richtung Kutacane losgesendet… Es war ein Kampf, aber wir haben schliesslich die Plaetze in einem Minibus zu einem vernuenftigen Preis bekommen. Und dann begann die ueber 5-stuendige Fahrt (fuer ca. 170km) ueber kleine gewundene Strassen mitten hinein in die Berge. Und von Kutacane mussten wir dann ja auch noch eine Stunde weiter… Also der Tag war laaaaaang und anstrengend. Aber Ketambe und der Dschungel hat fuer alles entschaedigt.
Dort hatte ich das grosse Glueck und habe Jaques und Suzanne gefunden – es gibt kaum Touristen dort, ich habe alle 6 Gasthaeuser besucht und insgesamt 7 Touristen gefunden – was sehr viel war, wie sich spaeter herausstellte -, und noch weniger, die eine laengere Dschungeltour machen wollen – mit denen ich direkt am naechsten Tag ein 5-taegiges Dschungeltrekking starten konnte. Und gleich an Tag 1 gabs Orang Utans zu sehen. Unser Guide Jhon ist selbst auch nach 15 Jahren im Dschungel noch so fasziniert von den Tieren, dass wir viel Zeit hatten, diese so menschlichen Lebewesen zu beobachten und viel ueber ihre Eigenschaften lernen konnten.

Und dann ging es immer tiefer in den Dschungel hinein. Die vielfaeltige Pflanzen- und Tierwelt sowie die enorme Geraeuschkulisse hat mich in den Bann gezogen. Geschlafen wurde in simplen Zelten aus Plastikplane. Gegessen wurde fuerstlich, dank unser beiden Hilfsguides, abendliches Lagerfeuer sowie diverse Geschichten des Lebens im Dschungel Sumatras inklusive.





Wer mich kennt oder hier fleissig mitgelesen hat, der weiss sicher, dass das genau die Orte sind, die fuer mich ein Paradies darstellen. Und so mag es nicht verwundern, dass ich noch einige Tage laenger in Ketambe blieb und doch einige wenige Touristen kommen, auf Trek gehen, vom Trek wiederkommen und dann wieder gehen gesehen habe. Dafuer habe ich noch viel ueber auch die wirtschaftliche Situation dort gelernt. Bis vor etwas mehr als 10 Jahren war Ketambe ein Ort, der viele Touristen anzog. Die Guides waren voll beschaeftigt und es florierte so sehr, dass die Gaestehaeuser ihre Kapazitaeten ausgebaut haben. Aber seit dem Krieg in Aceh und auch danach kamen die Gaeste nicht mehr. Die paar Guides im Dorf warten teilweise mehrere Wochen lang auf einen Auftrag. Nur im Juli und August ist jeder beschaeftigt, aber auch hier herrscht jedes Jahr Unsicherheit, obs auch im naechsten Jahr wieder der Fall ist. Also, wer in Sumatra ist, bitte dort hin!! Es lohnt.

Und dann wollte ich weiter nach Banda Aceh, dem Ort, in dem im Tsunami 2004 mehr als 60.000 Menschen umgekommen sind. Und weil ich nicht ueber Medan wollte, habe ich die lokale Strecke gewaehlt, die ueber den unter einheimischen Touristen sehr beliebten Ort Takengon ging. Ein Ort, der wirklich enorm schoen ist, aehnlich zum Toba-See, aber eben doch sehr sehr beschwerlich zu erreichen. Es ging wieder mal 8 Stunden lang durch die Berge um dann zum Schluss in die Ebene zu fahren, die ganze Zeit den See im Blick. Wunderbar aber wahnsinnig anstrengend. Und dann in Takengon spricht kein Mensch englisch. Ein Hotel zu finden ist schon eher Glueck, und der ATM, den ich dringend brauchte, da ich bei der Ankunft nur etwa 1Euro in bar in der Tasche hatte, hat sich auch nicht so offen gezeigt und verstanden hat mich auch niemand… Aber hey, ist alles gelungen. Und am naechsten Morgen gings dann auch schon nach Banda Aceh.. noch mal 8 Stunden im Minibus. Von den ca. 300km wurden fuer die ersten 100km etwa 6 Stunden gebraucht, die letzten 200 gingen dann locker und mit halsbrecherischen Ueberholmaneuvern (die normale Art des Fahrens in Sumatra) in nur 2 Stunden 🙂 Ich hatte so gar keine Lust mehr auf Minibus danach, wie ihr euch vorstellen koennt. Dafuer habe ich mir dann die Zeit genommen, Banda Aceh ausgiebig und in Ruhe zu erkunden. Die meisten Touristen bleiben nur einen Tag, wenn ueberhaupt, sehen sich das Tsunami-Museum an, und setzen dann ueber nach Pulau Weh, einem Paradies fuer Schnorchler und Taucher, LEIDER. Denn Banda Aceh ist eine wirklich schoene Stadt. Und obwohl der strikteste muslimische Ort in Sumatra, habe ich dort sehr viele nette und offene Menschen kennengelernt. Aber ich kleide mich auch entsprechend und lauf nicht rum wie auf Malle, was leider doch recht viele westliche Touristen und Touristinnen machen und sich damit eben keine Freunde machen. Denn Respekt vor der muslimischen Kultur wird eben einfach erwartet.



Jedenfalls war mein Besuch in Banda Aceh sehr emotional. Es ist erstaunlich, was alles zerstoert wurde und was dann wieder aufgebaut wurde. Aber es regnete die ganze Zeit ziemlich deftig (auch sehr merkwuerdig wenn man in der Stadt, die sowas wie das Gesicht des Tsunamis ist, etwa knietief im Wasser watet), so dass ich von meinem Vorhaben, nach Pulau Weh zu gehen, abgesehen habe… Insel im Regen macht ja eher nicht so viel Sinn, oder?

Ich bin dann lieber nach Pemantan Siantar gefahren und habe Tetty besucht, die Lehrerin, von der ich am Anfang berichtet habe. Mit ihr habe ich ihre Schulen besucht, aktiv am Englischunterricht teilgenommen, bzw ihn mitgestaltet – was soll man auch machen, wenn die Lehrerin einfach mitten in der Stunde rausgeht um zu telefonieren und sich mit anderen Lehrern oder dem Hausmeister zu unterhalten und die Kinderchen einen gross angucken. Naja und so war dann auch das englisch. Von der dritten bis zur 6. Klasse konnten die Kinder eigentlich das gleiche NICHT: „My name is…. I am … years old.“ Plus dass in Indonesien, oder ich schaetze in Asien generell, ein enormer Respekt vor dem Lehrkoerper herrscht plus ein weisser Mensch sowieso etwas ganz besonderes ist, so dass die Kinder wirklich enorm schuechtern waren und mich kaum angucken konnten, so nervoes waren sie. Aber alle haben sich gefreut, vielleicht etwas gelernt, und das Foto am Ende der Stunde war das Highlight des Tages fuer die Kleinen.

Und sie ist nicht nur Schullehrerin, sondern unterrichtet auch an der Uni die kommende Generation von Englisch-Lehrern. Tetty meinte, ich soll da eben einfach so mitkommen, die Dekanin vom Lehrstuhl fand, ich muesste eher einen Lehrauftrag haben und so habe ich dann offiziell eine Stunde zu den Unterschieden im deutschen und indonesischen Schulsystem gehalten. Es war ein sehr interessanter Austausch – beide Seiten haben viel gelernt.
So ist es in Indonesien so, dass eigentlich jedes Volk, und davon gibt es hunderte, seine eigene Sprache spricht und die Kinder erst in der Schule ab Klasse 1 die Kunst- aber eben Amtssprache Indonesisch lernen, die aber nichts mit ihren lokalen Sprachen zu tun hat. Dass wir in Deutschland alle von Anfang an deutsch lernen, uns alle untereinander verstehen (zumindest groesstenteils) ist fuer diese Studenten ein vollkommen neues Konzept. Der zweite grosse Unterschied liegt in der Bedeutung von Religion. In der indonesischen Schule und zum taeglichen Leben gehoert Religion (eine der 6 staatlich anerkannten Religionen) einfach dazu. Dass jemand keine offizielle Religion und vor allem keinen Glauben hat, ist fuer diese jungen Menschen auch neu und kaum nachvollziehbar. Aber sie sind durch die vielen Kulturen und Religionen, die dort nebeneinander meist friedlich leben, sehr aufgeschlossen und wir alle – Muslime, Katholiken, Protestanten und ich – haben sehr intensiv darueber diskutiert.

Und zu guter letzt waren wir noch in der privaten Englischschule von Desri, wo Tetty ebenfalls lehrt. Die Schueler dort haben sich gefreut, mich wieder zu sehen. Und die Umgebung von Sarimatondang, Sidamanik ist bekannt fuer seinen Teeanbau, so dass schon die Fahrt dorthin sehr schoen war. Aber dort ist mir auch was kurioses passiert, das ich bis heute noch nicht verstehe. Also, wir befinden uns in dem Teeanbaugebiet Sumatras – guter Tee, alles exportiert. Dann bestelle ich also im lokalen Restaurant einen Tee. Und was bekomme ich? Richtig: Ein Glass heisses Wasser!! Und das ist mir mehrmals dort in der Gegend passiert. Teeblaetter sind gleich Farbe im heissen Wasser – mehr nicht.

Fazit: Mit allen seinen Naturwundern und wunderbaren Menschen war Sumatra fuer mich ein ganz besonderer Ort, an den ich zurueckkehren muss. Ich liebe die Menschen dort und die zumindest streckenweise intakte Natur ist einfach sehenswert, solange sie noch existiert und nicht dem Anbau von Palmen fuer Palmoel zum Opfer faellt.